KB 1. Ulanen-Regiment

"Kaiser Wilhelm II., König von Preussen"

Gerden ( Lagarde ) am 11. August 1914


 

In Machern fanden sich am Abend des 10. August die Kommandeure der bay. Kavallerie-Division und der 42. ID in der Unterkunft zusammen. Ihre Absicht für den nächsten Tag deckten sich. Der Kdr. der 42. ID war nicht willens, dem Feind Gerden zu überlassen. Der Kommandeur der bayer. Kavallerie-Division, Generalleutnant von Stetten, aber hatte, da die Aufklärungsabteilungen und Streifen den französischen Grenzschutz nirgends zu durchdringen und nirgends die Nummern der feindlichen Infanterieverbände feststellen vermochten, den Entschluß gefasst, sich durch eine gewaltsame Erkundung Klarheit und Bewegungsfreiheit zu verschaffen. Der Angriff auf Gerden wurde also gemeinsam beschlossen und verabredet.

Der Kommandeur der bayer. Kavallerie-Division, Generalleutnant von Stetten, erteilt um etwa 11:15 vormittags der 4. Kavallerie Brigade den Auftrag die nordwestl. von Gerden befindliche feindliche Artillerie am Abfahren zu hindern. Die Brigade zählte nur 6 Eskadrons, das 5./1. Ulanen-Regt. und das 1./2. Ulanen-Regiment waren als Aufklärungs-Eskadron entsendet und noch nicht zur Stelle. Der Kommandeur der 4. Kavallerie-Brigade, Generalmajor Freiherr von Redwitz, gedachte den anzugreifenden Batterien zunächst die reine Flanke abzugewinnen und so zugleich den Feuerbereich der feindl. Infanterie zu vermeiden. Er wies daher seine Regimenter an, gegen Süden gedeckt den Nordhang der Höhe 265 (2 km südl. Ommerich) zu erreichen.

Schachbrettförmig gegliedert trabten also das 2. Ulanenregiment und hinter ihm das 1. Ulanen-Regiment "Kaiser Wilhelm II." in der Mulde, die den Nordrand von Bortenach (Bourdonnay) begleitet und sich dann zwischen dem Weiher von Ommerich (Ommeray) und dem Chanal-Holz durchzwängt, auf ihr Ziel los, schon jetzt durch sumpfige Stellen und eingefriedete Viehweiden vielfach aufge-halten und beengt. Generalmajor von Redwitz ritt selbst mit seinem Stab zunächst an die Südspitze des Chanal-Holzes. Da er von diesem Platze aus aber nur feindliche Schützen nordwestl. von Gerden sehen vermochte, strebte er unverweilt der Höhe 265 zu. Generalleutnant v. Stetten gesellte sich zum Kdr. der 4. Kavallerie-Brigade und befahl ihm sofort in Richtung auf eine rechts von Gerden sichtbare Waldspitze (Tillot-Holz) anreiten zu lassen. Die beiden Ulanen-Regimente hatten sich mittlerweile dem Nordhang der Höhe 265 genähert und wurden alsbald rittlings der Straße Ommerich - Gerden nach Süden eingedreht, sodaß das 2. Ulanen-Regt. rechts und das 1. Ulanen-Regt. links zu reiten kam. Generalmajor von Redwitz rief ihre Kommandeure zu sich und gab ihnen, umschwirrt von feindlichen Flintengeschossen, Richtung und Form des Angriffes an, indem er gleichzeitig auf die sichtbare Kuppe 266 (500 m nordwestl. von Gerden) deutete.

Der Befehl lautete: "Angriff auf Artillerie! Staffelung, um überraschend auftretender Infanterie begegnen zu können!"

Die Regimenter zogen sich auseinander und die Eskadrone bildeten lichte Wellen. Die hohen Getreidefelder und die oft unvermutet auftauchenden Drahtzäune und sumpfigen Gräben hemmten freilich die Bewegungen, besonders beim 2. Ulanen-Regt., das daher auch etwas zurück hing. Noch mitten in der Entwicklung fielen die Eskadrons in Galopp, da inzwischen der Brigadekommandeur. den Befehl zum Anreiten gegeben hatte. Das feindliche Feuer und Mangel an Zeit verboten eine sorgfältige Erkundung und Aufklärung des Angriffsgeländes.

Der Kommandeur des 1. bayerischen Ulanen-Regiments, Oberst Freiherr von Crailsheim, hatte im ersten Treffen das 4. Eskadron, rechts und das 1. Eskadron links angesetzt, das 3. Eskadron zunächst hinter der Mitte zurück gehalten. Das 1. Eskadron preschte, durch Maschinengewehrfeuer angezogen, alsbald östlich der Straße auf Gerden los und riß daher von dem 4. Eskadron, das etwas später anritt und westlich der Straße ungefähr die Richtung auf den Westhang der Kuppe 266 nahm, ab. Die Lücke wurde sofort durch das 3. Eskadron geschlossen, die nun ebenfalls, in zwei Wellen aufgelöst, ins erste Treffen geriet. Der Brigadestab begleitete das erste Treffen, und zwar hart hinter der Mitte. In dieser Gliederung, über den etwa 500 bis 800 m breiten Raum zwischen dem Forst Kreuzberg und der Straße Ommerich - Gerden verteilt, setzten sich also die Reiterwellen in Bewegung.

Das 3. und 4./1. Ulanen-Regt., 4. und 5./2. Ulanen-Regt. brechen jetzt zwischen der Kuppe 266 und dem Ostrand des Forstes Kreuzberg in zwei niedergekämpfte feindliche Batterien ein. Zum Teil stieben sie auch durch die Lücken und an den Geschützmündungen vorbei, denn sie finden kaum mehr Widerstand. Die Kanoniere sind tot oder ergeben sich zumeist. Die Gespanne sind zum Teil zusammen geschossen, zum Teil gehen sie durch und werden später eingeholt und aufgegriffen. Immer schneller wird der Lauf, immer dicker der aufgewirbelte Staub, immer mehr erhitzten sich Roß und Reiter. Noch gut geordnet nähern sich die Wellen dem Südabhang der Geländerippe, auf der sie bisher sorglos entlang gestürmt waren. Da gähnte vor ihnen plötzlich fast überall ein 3 m hoher Steilhang, an dessen Fuß sich die Straße von Gerden nach Xures hinzieht. Auf der Straße selbst, auf dem schmalen Streifen, der sie vom Rhein-Marne-Kanal trennt, und jenseits des von Hecken, Zäunen, Büschen und Bäumen umsäumten Gewässers sind abziehende französische Abteilungen sichtbar.

Feindliche Schützen aber halten den Friedhof von Gerden und die Bodenfalte an der Nordwestecke des Dorfes zwischen den Straßen nach Ommerich und Xures besetzt und feuern den Ulanen in die Flanke. An diesen Hindernissen bricht sich die nun heranbrausende Flut. Das 4./1. Ulanen-Regt., das oben am Steilhang sich nach halbrechts gewendet hatte und daher etwas hinter das 2. Ulanen-Regt. geraten war, nimmt mindestens mit ihrem größeren Teil den Weg über den Geländestreifen zwischen der Straße und dem Kanal auf den Westrand von Gerden. Die feindlichen Schützen, die sich in den Weg stellen, werden über den Haufen gefegt. Nun schlagen die Garben der auf dem Kirchturm des Dorfes aufgestellten franz. Maschinengewehre in das Rudel ein, das schon mit zahlreichen ledigen Pferden durchsetzt und daher unwendsam geworden ist. Die feindl. Schützen an der Geländewelle westnordwestlich von Gerden machen kehrt und schießen von einer die Straße begleitenden Mauer herab mitten in den vorbeijagenden Knäuel. Zum Teil freilich drücken sie sich auch scheu an den Steilrand oder springen von Angst besessen in den Kanal. So manchem Franzosen fährt noch die Lanze eines in vollem Lauf einherpreschenden Ulanen durch die Brust und Rücken; dann gellen furchtbare Schreie durch die Luft. Aus sicherem Hort aber senden die südlich des Kanals abziehenden feindl. Abteilungen in ganzen Salven und im Schnellfeuer ihre Geschosse herüber.

Straße und Feld bedecken sich mehr und mehr mit gefallenen, getroffenen oder gestürzten Pferden und Ulanen - an manchen Stellen in dicken Haufen. Wild schlagen die zu Boden gestreckten Pferde um sich. Wer aber noch kämpfen kann, geht zu Fuß mit Karabiner, Lanze und Säbel den überrittenen, heilgebliebenen feindlichen Schützen zu Leibe. Wer zu Pferd bleibt, stürmt weiter. Am Westeingang von Gerden staut sich der Haufen. Zum Teil brechen die Reiter ins Dorf ein, um den Kampf mit den in den Straßen sich zur Wehr setzenden oder aus Gärten und Häusern schießenden Franzosen aufzunehmen. Andere Truppen biegen, da der Steilhang sich jetzt verflacht, dem Brigadekommandeur folgend, in die Obstgärten am Nordwestrand des Dorfes ab. Hier war inzwischen - auf geradem Weg - auch das 1./1. Ulanen-Regt. angelangt. Das 3./1. Ulanen-Regt. hatte bereits am oberen Saum des Steilrandes den Lauf eingestellt, unter Führung des Regiments-Kdr. zum Teil rechtsum gemacht und in der Richtung auf die Kanalbrücke 1000 m westlich Gerden feindliche Schützen, die eine kleine Kuppe besetzt hielten uns sich zumeist rasch ergaben, angegriffen. Das ganze wilde und blutige Schauspiel hatte sich zwischen 11:35 und 12:00 mittags abgewickelt.

Die Trümmer der Ulanen-Brigade wurden von den beiden Regimentskommandeuren nun durch Signal gesammelt, notdürftig in je 2 Eskadrons gegliedert und auf die Höhe 265 zurück genommen. Die Gefangenen wurden an die inzwischen nachgekommene preußische Infanterie abgeliefert. Der letzte Atem der Pferde diente dazu, einem Befehl des Divisionskommandeurs gemäß die vier buntgemischten Eskadrons an den Nordrand des Forstes Kreuzberg (Höhe 281) zu führen, gegen den einer Meldung zufolge von Westen her feindliche Infanterie anrückte. Erst um 3:00 nachmittags etwa endete der (Infanterie-)Kampf. Der Feind war abgezogen oder geflohen - zum größten Teil schon während des Angriffes der Ulanen-Brigade und in wilder, überstürzter Hast. Die Verluste dieses Tages für das bayer. 1. Ulanen-Regiment betrugen:

- 35 tote Offiziere und Mannschaften, 29 Pferde
- 64 verwundete Offiziere und Mannschaften, 13 Pferde
- 20 Vermißte und 87 vermißte Pferde

Der Feind verlor 8 Geschütze, 6 Maschinengewehre, eine Fahne und 1.467 Gefangene.
Ein Befehl der 2. franz. Armee, der sich bei der Leiche des feindlichen Brigadegenerals fand, ließ erkennen, dass sich mindestens 6 französische Armeekorps (IX., XIV., XV., XVI., XX., XXI.) zwischen Toul und Epinal versammelten.


 

Zum Gedenken an die Schlacht von Gerden wurden dem nördl. Teil der "Neuen Infanterie-Kaserne" in Bamberg der Ehrentitel "Lagarde-Kaserne" verliehen.




Ausgangsseite